Neben dem Aachener Dom, dem Kölner Dom, den Schlössern Augustusburg und Falkenlust in Brühl und der Zeche Zollverein in Essen gehört nun auch Schloss Corvey in Höxter zu den fünf nordrhein-westfälischen UNESCO-Welterbestätten.
Aufgrund seiner geschichtlichen Bedeutung hatte sich das Schloss Corvey mit dem Westwerk der ehemaligen Reichsabtei aus dem 9. Jahrhundert und seiner unterirdischen Stadt, der Civitas, um die Auszeichnung als UNESCO-Weltkulturerbe beworben. Das karolingische Westwerk aus der Frühzeit der Benediktinerabtei gilt als das älteste fast vollständig erhaltene Westwerk überhaupt. Die Ruinen und Straßenzüge der unterirdischen Stadt Corvey, die im Mittelalter zerstört wurde und in deren Zentrum das heutige Schloss lag, ist bis heute nahezu vollständig nachvollziehbar unter der Erde zu finden. Bei entsprechender Finanzierung könnten diese freigelegt werden. Corvey hat die UNESCO überzeugt, da es zu den wenigen in den wesentlichen Teilen erhaltenen karolingischen Bauwerken gehört, das einzige erhaltene Zeugnis des Bautyps Westwerk aus dieser Zeit ist und als Bautypus die abendländische Architektur bis zum Ende der Romanik wesentlich geprägt hat. „Das ist ein toller Erfolg! Wir freuen uns sehr, dass unser Land jetzt über eine weitere Welterbestätte verfügt. Die Welterbestätten sind touristische Leuchttürme, sie haben eine ganz besondere Anziehungskraft für unsere Gäste aus dem In- und Ausland. Von dem Welterbestatus wird nicht nur Corvey profitieren, diese Auszeichnung strahlt aus auf die gesamte Region und unser ganzes Land“, erklärte die Geschäftsführerin des Tourismus NRW e.V., Dr. Heike Döll-König.
Über Schloss Corvey
Geschichte des früheren Benediktinerklosters
Die Pläne für das Reichskloster gehen auf Karl den Großen zurück. Er wollte nach der Eroberung Sachsens die Christianisierung in dem neu gewonnenen Gebiet festigen und fördern. Kurz nach Karls Tod 814 gründeten der Abt des nordfranzösischen Klosters Corbie und ein Vetter Karls Nova Corbeia, eine Niederlassung des französischen Klosters in Hethis (Solling), als erstes Mönchskloster im sächsischen Raum. Der Standort erwies sich jedoch als ungünstig. 822 wurde der Konvent nach Corvey verlegt und formal unabhängig vom französischen Mutterkloster. Von Corvey aus setzten die Benediktiner wichtige Impulse für die Christianisierung in Europa. Nach der Überführung der Reliquien des heiligen Vitus aus Paris 836 entwickelte sich Corvey zum berühmten Wallfahrtsort. Im 9. und 10. Jahrhundert war Corvey eines der bedeutendsten Zentren der christlichen Kultur in Nordwesteuropa und zugleich ein wichtiger Vermittler der westfränkischen Kultur in Sachsen. Im 11. Jahrhundert entwickelte sich Corvey zu einem Reformkloster, um das sich unter Laienbruderschaften bildeten. Im 12. Jahrhundert verlor Corvey an Bedeutung. Misswirtschaft und ein Klosterbrand 1242 trugen zum wirtschaftlichen Niedergang bei. Im 30-jährigen Krieg (1618 – 1648) wurde das Kloster bis auf das karolingische Westwerk weitgehend zerstört. Nach dem Krieg erfolgte der Wiederaufbau im barocken Stil. Ausmaß und Gestaltung ähnelten nun eher einem Schloss. Auch die Abteikirche wurde im gleichen Stil errichtet. 1803 wird die Fürstabtei in weltliche Hände übergeben. 1860 kam August Heinrich Hoffmann von Fallersleben auf Wunsch des damaligen Herzogs Viktor von Ratibor nach Corvey, um sich um die Schlossbibliothek zu kümmern. Durch eine Erbschaft ist Corvey seit 1834 im Besitz der Herzoglichen Familie von Ratibor und Fürsten von Corvey, die noch heute auf dem Schloss lebt. Besucher erkennen die Anwesenheit des Herzogs an der wehenden Flagge in den fürstlichen Hausfarben Rot und Gold. Das Schloss beherbergt inzwischen auch ein Museum, das Schlossrestaurant, das Corveyer Weinhaus und ein Aktivhotel.
Touristische Highlights im und am Schloss
Im Innern des Schlosses sind neben dem prächtigen Kaisersaal die historischen Prunk- und Wohnräume aus dem 18. und 19. Jahrhundert zu besichtigen. Die Fürstliche Bibliothek bewahrt in 15 Sälen ca. 75.000 Bände auf und zählt damit zu den bedeutendsten Privatbibliotheken Deutschlands. Besucher können sich auch das karolingische Westwerk ansehen, von dem aus früher viele Herrscher dem Gottesdienst lauschten. In der ehemaligen Abteikirche befindet sich eine der schönsten und bedeutendsten Orgeln Westfalens, die 1681 nach der besonders aufwändigen Springladentechnik gefertigten wurde. Nur noch sieben der sogenannten Springladen-Orgeln sind weltweit im Einsatz. Auf dem angrenzenden Friedhof befindet sich das Grab des Corveyer Bibliothekars und Dichters der Deutschen Nationalhymne, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben.
Viele Gründe für den Welterbe-Titel
Aufgrund seiner geschichtlichen Bedeutung hat sich Corvey mit dem Westwerk und seiner unterirdischen Stadt, der Civitas, um die Auszeichnung als Unesco-Weltkulturerbe beworben. Das karolingische Westwerk aus der Frühzeit der Benediktinerabtei gilt als das älteste fast vollständig erhaltene Westwerk überhaupt. Westwerke mit ihren Türmen wurden meist an die Kirchen von Reichsklöstern angebaut, in denen reisende Könige oder Kaiser residierten. Die Westwerke waren den Herrschern und ihrem Gefolge vorbehalten und dienten beispielweise als Kanzlei oder Gerichtsort. Von einer Empore aus, die sich zum Kirchenraum öffnete, konnte der König oder Kaiser zudem aus einer erhöhten Position am Gottesdienst teilnehmen. Noch heute sind Teile einer prächtigen Wandmalerei mit Szenen aus der Odyssee erhalten. Das Kloster lag im Mittelalter inmitten der Stadt Corvey. Das nahe Höxter, zu dem Schloss Corvey heute gehört, sah die Stadt jedoch als großen Konkurrenten an. Die Rivalität gipfelte in der Zerstörung der Stadt Corvey durch Höxteraner Bürger und den Bischof von Paderborn. Die Ruinen und Straßenzüge sind jedoch bis heute nahezu vollständig nachvollziehbar unter der Erde zu finden und könnten bei entsprechender Finanzierung freigelegt werden. Foto (c) Kulturkreis Corvey-Höxter