Wenn ich im öffentlichen Nahverkehr unterwegs bin, wünsche ich mir oft, dass es so etwas wie den Studentenkarzer Heidelberg heute noch gäbe. Gibt da nämlich zwei verdammt nervige Gesellschaftsgruppen: Ersties und Zweities.
Der Studentenkarzer Heidelberg dient über mehrere Jahrhunderte als Gefängnis für ungehorsame Studenten. Bis 1914 sitzen hier Kommilitonen im Kittchen, die wegen Batschereien, Komasaufen, oder Ruhestörung verurteilt werden. Allerdings sind die Haftbedingungen teilweise ziemlich soft, so dass eine Nacht im Studentenkarzer für die meisten mehr Ehre als Strafe ist.
Knacki-Zeit
Ihre Zeit „verschönern“ sich die Insassen mit Graffiti an den Wänden. Das älteste Studentengefängnis der Welt wird so zu einem Sammelsurium von derben Sprüchen, authentischen Porträtbildern und bunten Durchhalteparolen. Mein Favourite:
Zwei Knaben gingen ein, mal los,
Von beiden blieb der andre, blos.
Der eine kniff ohn Zweifel.
Pfui Teufel!
Zur damaligen Zeit ist es üblich, die Inhaftierten nach Art ihrer Verbindung (Corps, Burschenschaft, Landsmannschaft usw.) zu sortieren. Daher stammen viele Kritzeleien häufig von den gleichen Verbindungen – auch auf dem berühmten Örtchen.
Eiserne Gardinen
Damals besitzt die Uni ihre eigene Gerichtsbarkeit, d. h. ein Amtmann verhängt die Karzerstrafen: Der Arrest dauert, je nach Vergehen, zwischen drei Tagen und vier Wochen. Im Studentenkarzer Heidelberg halten sich diese Rechtsverhältnisse bis Anfang 20. Jahrhundert. Allerdings dürfen die Studenten während ihrer Strafzeit Vorlesungen besuchen, danach geht es aber wieder schnurstracks zurück hinter schwedische Gardinen. 🙂
Als Reiseblogger muss man sich natürlich ordentlich ins Gästebuch eintragen. Ich stehe übrigens auf der vorletzten Seite direkt über der schicken Studentenkarzer-Grafik, dich ich allerdings nicht selbst gescribbelt habe. Dafür sind meine Zeichenkünste leider zu schlecht. Menschliches Gesicht, Pferd und Sportwagen sehen heute noch so aus wie in der ersten Klasse: alles gleich. 🙂
Öffnungszeiten
Geöffnet ist der Studentenkarzer Heidelberg täglich: Im Sommer (April bis Oktober) kannst Du den Studi-Knast zwischen 10 und 18 Uhr besichtigen. Im Winter (November bis März) ist das Ausflugsziel von 10 bis 16 Uhr geöffnet, sonntags allerdings geschlossen.
Der Eintrittspreis dafür ist ziemlich fair: Das Kombiticket (Universitätsmuseum, Alte Aula und Studentenkarzer) kostet für Erwachsene gerade mal 3 Euro, Ermäßigte 2,50 Euro und böse Studis fahren kostenlos ein. 😉 Mit der HeidelbergCard ist der Eintritt übrigens noch etwas günstiger.
Empfehlung?
Auf jeden Fall. Falls Du ein eher visueller Typ bist und selbst bei einer Städtereise Heidelberg etwas Abwechslung fürs Auge brauchst, dann ist der Studentenkarzer Heidelberg genau das Richtige. Auch wenn es tendenziell nicht viel zu sehen gibt, ist es unterhaltsam und kurzweilig. Eine starke halbe Stunde solltest Du dafür einplanen, so dass Du den Karzer auch „im Vorbeigehen“ mitnehmen kannst. Echte Insassen gibt es leider nicht mehr. Trotzdem wünsche ich mir bei der nächsten S-Bahn-Fahrt den einen oder anderen Erstie ganz sicher direkt hierher. 🙂 Noch wildere Tiere gibt’s hier zu sehen.
Dieser Artikel ist unterstützt durch Heidelberg Marketing, die mir dieses Reiseziel kostenlos ermöglichen. Falls Du deshalb einen Verlust an Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit befürchtest, dann kann ich Dich beruhigen: Dieser Artikel stellt meine persönliche Meinung dar!
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