Die Niederburg Manderscheid hat ein Problem: Der Feind wohnt direkt vor der Haustür, lässt sich aber nicht bekämpfen. Burgherr Joachim über Vor- und Nachteile einer klassischen Hassliebe-Nachbarschaft.
Stell dir vor, du lebst im Mittelalter auf einer Burg. Diese Burg ist dein Heim, deine Festung, dein Leben. Allerdings gibt es jemanden, der dir dieses friedliche Dasein streitig macht. Und dieser jemand ist kein Feind aus einem weit entfernten Land, sondern dein Nachbar. Problem: Der ist schon lange vor dir da und lässt sich deshalb nicht einfach so vertreiben. Und obwohl dein Nachbar auf der Oberburg jeden Tag in Sichtweite ist, lebt ihr in hasslieblichem Einvernehmen nebeneinander her.
Nur rund 500 Meter entfernt ist der Turm der Niederburg Manderscheid vom Turm der Oberburg. Der böse Bube ist also immer sichtbar, nur (an)greifbar ist er leider nicht. Zu deiner Zeit auf der Burg, also etwa im 14./15. Jahrhundert, hast du keine Waffen, die dem Bad Boy von nebenan den Garaus machen könnten. Gewehre und Kanonen gibt es noch nicht, die Armbrust gilt als gefährlichste Waffe deiner Zeit. Immerhin ist sie zielgenau: Gute Schützen treffen damals eine Zielscheibe mit 5 cm Durchmesser – aus 100 m Entfernung. Leider nicht genug, um dem „Freund“ auf der Oberburg einen Pfeil in den Hintern zu jagen.
Belagerung? Fail!
Auch einer Belagerung hält die Niederburg Manderscheid eine ganze Weile stand. Satte 2,5 Jahre versucht Balduin, der Burgenschreck, die Burgbewohner mürbe zu machen. Da deren Vorräte offensichtlich gut portioniert sind und Zugang zu Frischwasser aus dem Fluss Lieser besteht, gibt es keine Versorgungsprobleme. Meine Idee, den Fluss zu verseuchen, um die Bewohner vom frischen Wasser abzuschneiden, ist nicht so dolle. Die Belagerer brauchen das Wasser nämlich selbst, um ihre Belagerung zu bewirtschaften. Und wen die Burgbewohner erwischen, der landet fein säuberlich im sogenannten Angst- bzw. Mörderloch.
Das Mörderloch befindet sich im einzigen Turm der Niederburg Manderscheid mit einem Verlies. Satte sieben Meter geht es hinunter, meist werden die Toten einfach nur runtergestoßen. Klappe auf, Mensch rein, Klappe zu! Leider überlebt manch Gefangener den Sturz in die Tiefe (vorerst), bis er qualvoll verhungert. Die Schreie hallen hoch in den Turm, in dem die Wachsoldaten essen, schlafen und wohnen. Sie dürfen tapfer sein und brav das Todesgeschrei aus dem Mörderlöch ertragen. Wenn es gut läuft, müssen die Wachleute in ihrem Wohnturm „nur“ den Verwesungsgeruch der Toten ertragen. Wachsoldaten-Gewerkschaft lässt grüßen!
Der Bergfried, das Wahrzeichen
Schon von weitem gut zu sehen ist der 82 Meter hohe Hauptturm der Niederburg Manderscheid. Ursprünglich als Wohnturm konzipiert, erweist sich der Bergfried später wunderbar als Fluchtturm. Kurios finde ich den eigentlichen Eingang, der in rund 8 Meter Höhe liegt. Im Falle eines Angriffs flüchten alle Mann in den Turm, ziehen die Leiter hoch und sind so vor Feinden sicher. Perfekter Panic Room!
Im Jahr 1166 beginnen die Manderscheider mit dem Bau ihrer Burg, erst rund 400 Jahre später sind sie damit fertig. Da ist das Mittelalter mehr oder weniger schon vorbei. Interessant: Das Mittelalter endet mit dem Aufkommen der Feuerwaffen. Rund 70 Personen leben bis dahin auf Niederburg, was im ersten Moment nach recht wenig klingt. Im Vergleich zur damaligen Big City Trier mit rund 3.500 Einwohnern ist es allerdings eine ordentliche Truppe.
Woher stammt der Begriff Fensterbank?
Unsere heutigen Fensterbänke, wie wir sie kennen, stammen aus dem Mittelalter. Damals sind es gemauerte Sitzbänke an Fenstern, auf denen es sich die Burgfräuleins gemütlich machen. Der Wohnturm mit den Fensterbänken ist der einzige, noch original erhaltene der Niederburg Manderscheid. Ein Bett ist drin, eine Feuerstelle und in jeder Wand ist ein Fenster. Perfekte Voraussetzung für eine wirklich echte Fensterbank.
Kurios finde ich auch die Geschichte der Burgstufen. Wenn du den Aufstieg zum Bergfried bewältigst, dann fallen dir ganz sicher steinerne Stufen auf. Die alte Steintreppe ist über 800 Jahre alt und hält wesentlich länger durch als die neue mit den Holzplanken. Die muss nämlich schon dreimal restauriert werden, während die alte läuft und läuft und läuft. 🙂 Was auch ziemlich gut läuft, ist der selbstgemachte Kuchen in der Niederburg.
Ob das kuchenbackende Burgfräulein und ihr Burgherr Joachim die Fahne auf der Burg noch eine Weile hissen, bleibt fraglich. Ab 2018 geht die Niederburg in den Besitz der Stadt Manderscheid über, bislang gehört sie dem Eifelverein. Leider schafft es der Verein nicht, die viertel Mille Sanierungskosten bereitzustellen. Schade, aber solange die Burg als Ausflugsziel und Sehenswürdigkeit erhalten bleibt, bin ich glücklich. Mal sehen, ob der Eintrittspreis von 2 Euro ähnlich attraktiv bleibt, ebenso die besucherfreundlichen Öffnungszeiten von 10.30 Uhr bis 17 Uhr.
Fazit Niederburg Manderscheid
Die Niederburg in Manderscheid empfinde ich als ein unaufgeregtes, interessantes und fotomotiv-lieferndes Ausflugsziel. Ich empfehle dir, eine Führung mit Joachim zu buchen. Erst durch seine lebendigen Ausführungen und spannenden Stories wird die Besichtigung der Niederburg zu einem Rundum-Erlebnis. Der selbstgebackene Kuchen der Burgchefin setzt deinem Burgabenteuer die (Mittelalter-)Krone auf. Da schauen die Nachbarn gerne mal neidisch über den (Burg-)Gartenzaun. 🙂
Mein Tipp: Falls du es im Deutschland-Urlaub etwas aktiver magst, dann empfehle ich dir eine Radtour um Manderscheid. Ich glaube es vorher zwar nicht, aber die Vulkaneifel ist eine echt schöne Ecke für Mountainbike-Touren.
Dein Deutschland-Reiseblog #1 ist bei diesem Reiseziel unterstützt durch das Gesundland Vulkaneifel, aber keine Sorge: Es ist meine persönliche Meinung!
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