Was oder wen verbindest du mit Kerpen? Auf Anhieb vermutlich Schumi, oder? Der ist mit seiner Kartbahn zwar sehr präsent, aber mit dem Erftradweg und der Wasserburgenroute gibt es auch was für Zweiräder.
Mein Nicht-Schumi-Erlebnis startet an der Radstation am Bahnhof Kerpen-Horrem. Die Öffnungszeiten der Radstation scheinen tagesformabhängig zu sein. Für gerade mal 10 Euro pro Tag leihst du dir einen schicken Drahtesel, falls du zufällig kein eigenes Fahrrad dabei hast. Ich rate dir übrigens zum Mountainbike statt zum Cityrad. Die Strecke auf dem Erftradweg führt teilweise über groben Kies. Pluspunkt: Die Radroute entlang der Erft ist schön, idyllisch, stressfrei.
Ein Teil des Erftradwegs ist die sogenannte Wasserburgenroute. Sie ist ein ingesamt rund 500 km langer Radweg, der durch die wasserburgenreichste Region Europas führt. Mehr als 150 Wasserburgen befinden sich an der Strecke, also etwa alle drei Kilometer eine. Am Ende des Tages werde ich gerade einmal fünf davon gesehen haben.
Wildromantisch: Schloss Türnich
Die erste Wasserburg und Sehenswürdigkeit der Region ist Schloss Türnich. Der Internetflyer wirbt mit einem gepflegten Schlosspark, allerdings wirkt der öffentlich zugängliche Schlossgarten auf mich eher wildromantisch statt barock-gepflegt. Kaum geht es los, schon steht die erste Pause an.
Das Café im Innenhof des Schlosses gefällt mir richtig gut. Der selbst gebackene Kuchen schmeckt bombastico, der Bio-Kaffee passt perfekt dazu. Alle Speisen und Getränke sind übrigens zu 100 Prozent bio. Pause Ende! Weiter geht es mit einem lockeren Schwung auf den Drahtesel in Richtung Erftstadt. Dann folgt die erste Enttäuschung des Tages…
Joey Kellys Schloss Gymnich
…denn wie viele andere Burgen und Schlösser auf der Wasserburgenroute, befindet sich auch Schloss Gymnich in Privatbesitz. Das bedeutet: „Betreten verboten!“ Ein halbes Dutzend Überwachungskameras unterstreichen die Warnung. Liegt auch am prominenten Ex-Besitzer. Das Schloss gehört bis 2012 dem Extrem-TV-Sportler Joey Kelly, in dem er mit der ganzen Kelly Family bis 2002 lebt. Mein verwegen-vorsichtiger Blick durch das Metallgitter deutet an, dass ganz da hinten irgendetwas Schloss-artiges sein muss. Zu sehen ist leider nichts.
Laut Wiki macht es sich mittlerweile ein Versicherungsmakler auf Schloss Gymnich gemütlich, der das Gelände als Hotel mit Gastronomie weiterführen möchte. Schön für ihn, schlecht für dich. Solange die Räumlichkeiten nicht wieder eröffnet sind, heißt es für uns alle: „Wir müssen leider draußen bleiben!“ – ob mit oder ohne Hund. Auf Burg Konradsheim in Erftstadt sieht es da schon ganz anders aus.
Die Hochzeits-Burg Konradsheim
Als ich mit dem Fahrrad über einen kleinen Wassergraben mit Mini-Zugbrücke rolle, kommt zum ersten Mal richtiges Wasserburgen-Feeling auf. Burg Konradsheim präsentiert sich als fast stereotype Burganlage: Die Kulisse ist überregional vor allem als Hochzeitslocation bekannt. Wer seine Hochzeit hier feiern möchte, muss allerdings rechtzeitig planen. Den Aussagen der schnatternden Dame des Hauses nach zu urteilen, beträgt die Vorlaufzeit für eine Hochzeit auf Burg Konradsheim locker ein Jahr. Sie erwartet mich bereits…
…und schnattert mir zu, dass Burg Konradsheim eine der wenigen noch erhaltenen spätmittelalterlichen Burganlagen in der Region ist. So mächtig wie die Burg an der Landesstraße wirkt, so mächtig sind manch Gäste hier. Seit mehr als zehn Jahren findet im Innenhof der Burganlage jedes Jahr im Oktober ein Kürbisfest statt. Schwerster Gast: Atlantic Giant mit 600 kg Lebendgewicht. Ich schwinge meine 75 kg wieder aufs Rad und trete weiter.
Stop, betreten verboten!
Schon bei der Anfahrt auf Burg Lechenich kann ich es spüren, die adelige Unwillkommenskultur. Ich bin nicht nur nicht willkommen, sondern eigentlich soll ich sogar draußen bleiben. Bedröppelt wie ein Hund, der bei schlechtem Wetter vor die Tür gejagt wird, ziehe ich den Rückzug an. Weiter als bis kurz vor das Burgtor mit seinen geheimnisvollen Initialen „S“ und „E“ komme ich nicht.
Die heutige Burg, Verzeihung Landesburg, ist zum Teil verkauft oder vermietet. Dass die Besitzer wenig Lust auf Radtouristen wie mich haben, kann ich nachvollziehen. Schade, denn Burg Lechenich hat einst große Bedeutung als stark befestigte Verwaltungsburg des Landesherrn. Das unterscheidet sie von vielen anderen Adelssitzen an der Wasserburgenroute und im Rhein-Erft-Kreis, die „weniger wichtig“ sind. Was den Radweg selbst von anderen Radwegen unterscheidet, ist der Kontakt zur Autobahn. Bäm!
Je nachdem wie du (dich ver)fährst, kreuzt du das eine oder andere Mal eine Autobahn. Vor allem die A1 und die A61 stehen in direkter Konkurrenz, wem du am häufigsten begegnest. Noch schöner ist, dass sich die beiden zwischen Lechenich und Liblar – wie wir Menschen – ganz lange ganz doll lieb haben, bis die unvermeidbare Trennung folgt. Auch auf meiner Route kommt nach einem Tief ein Hoch: mein persönliches Highlight Schloss Gracht. Die Tore zum Schlossgarten stehen offen und der Grachter Schlosspark empfängt mich herzlich.
Der denkmalgeschützte, neun Hektar große Schlosspark besitzt einen exotischen Baumbestand mit Mammutbäumen und ist richtig, richtig schön. Der Herrschaftssitz gehört vier Jahrhunderte lang der Familie Wolff-Metternich. Bis 1945 wohnen die Sektherrschaften um Fürst von Metternich hier, allerdings nicht DIE Sektmenschen, sondern nur welche, die so ähnlich heißen. Die Familie Wolff-Metternich hat nämlich nichts mit der Sektdynastie Metternich-Winneburg zu tun. Alles kapiert? Nein? Dann kann nur noch Gott helfen. 🙂
Jesus Maria, aber kein Josef!
Auch wer vom Weg abkommt, landet am Ende beim Herrn. Auf dem Erftradweg geht der Abstecher an den Papsthügel glücklicherweise weniger religiös-philosophisch zu. Der Hügel und das umliegende Marienfeld sind 2005 Schauplatz des Weltjugendtages unter Papst Benedikt XVI. Der Aufstieg entlang der zwölf Kirschbäume aka Apostel ist hart, aber herzlich. Oben stehen ein klassisches Kreuz als Wahrzeichen und ein Basaltaltar. Das Panorama vom Papsthügel ist so lala: viel weites Feld und das Industriegebiet Kerpen-Türnich.
Autsch, ich habe es im Kreuz. Die rund 40 km lange Radtour entlang der Wasserburgenroute und auf dem Erftradweg hat es in sich. Aufgrund einiger Fotopausen, Caféstop in Schloss Türnich und Innehalten auf dem Papsthügel nimmt der Radweg etwa vier Stunden in Anspruch. Je sportlicher du es angehst, desto schneller ist die Route machbar.
Fazit Wasserburgenroute auf dem Erftradweg
Die Strecke auf dem Erftradweg ist an diesem Nachmittag easy zu befahren, auch weil sie radler-technisch nicht so überladen ist wie andere Radwege. Die hier beschriebene Tour ist locker an einem halben Tag zu befahren. Wenn du eher der sportliche Radfahrer bist, dann ist mein Blogartikel für dich vermutlich Pipifax. Wer eher so der „normale“ Tourist ist mit Lust auf Inspiration zu einem schönen Ausflug, der wird mit einer Tour auf dem Erftradweg ziemlich glücklich. Auch wenn es „nur“ mit zwei Rädern und nichts mit Schumi zu tun hat. 🙂
Mein Tipp: Ob du die Route genau so nachfährst, bleibt dir überlassen. Parken kannst du bspw. am Bahnhof in Kerpen-Horrem, dann die Runde fahren und wieder zurück. Oder du wählst eine der Wasserburgen als Ausganspunkt. Oder du entscheidest dich für ein Hotel entlang des Erftradwegs. Feel free! Wenn du Urlaub im Rhein-Erft-Kreis bzw. in der Gegend rund um Kerpen machst, dann hast du dich vermutlich bewusst gegen Köln entschieden. Solltest du spontan doch Lust auf einen Trip in die 30 min entfernte Domstadt hast, dann schau mal hier, ob was für dich dabei ist.
Bis Schloss Gymnich sehr schön fahren sie oft ab Sindorf und dann rüber nach Nörvenich, Kerpen ,Geilrath nach Hause
Hi Evelyne, hast du noch mehr Ausflugstipps für die Gegend? LG, Jan