Als ich Kind bin, ist Mühle mein Lieblingsspiel. Heute habe ich weder zum Spiel noch zum „Mahlhaus“ einen Bezug, sondern kaufe Mehl fertig abgepackt im Supermarkt. In der Speiermühle in Hemmighausen geht’s zu wie damals.
Bereits in vierter Generation führt Familie Becker ihre Speiermühle in Hemmighausen, einem Ortsteil von Willingen im Sauerland. Mit viel Liebe zum Detail kümmern sich die sympathischen Inhaber um die Pflege der Mühle und nehmen dich mit auf eine Zeitreise. Vom Mühlenchef Lothar erfährst du alles über das Handwerk der Müller und über die Nutzung der Wasserkraft – von früher bis heute.
„Nach der Schule musste ich mahlen“
Mühlenbesitzer Lothar Becker trägt fast schon den richtigen Namen und damit die besten Voraussetzungen, eigenes Mehl herzustellen. In weniger als 100 Sekunden verrät er, wie eine Mühle funktioniert und was das Besondere am Mühlhandwerk ist.
Phänoma, Zyklone, Plansichter
In ihrer jetzigen Form ist die Speiermühle so erhalten wie anno dazumal – außer die Windmühlenflügel, denn von außen sieht die Mühle nicht so wirklich nach (Wind-)Mühle aus. Das historische Fachwerkhaus renovieren die Beckers nach und nach sowohl innen als auch außen liebevoll. Du erfährst alles über die mühevolle Arbeit in der Mühle, die früher fast rund um die Uhr anfällt.
Auf dem Foto oben steht die sogenannte Phänoma. Das Mahlgut wird von der Phänoma und dem Walzenstuhl mit einem Luftstrom nach oben gesaugt, um es dann dem Plansichter zuzuführen. Alles kapiert? 🙂 Vorher trennen Zyklone das Mahlgut wieder vom Luftstrom. Danach wird die Luft durch den Staubabscheider gereinigt. Jetzt ist es klar, oder? 🙂
Bei einer Besichtigung bzw. Führung durch Mühlen-Lothar siehst du auch das Innenleben der Speiermühle: die Mahlsteine, den Sichter und alle weiteren Maschinen und Werkzeuge, die der Müller für seine tägliche Arbeit benötigt. Du erlebst hautnah, wie ein Müller die Mühle antreibt und das Korn zu Mehl verarbeitet.
Wie funktioniert eine Mühle?
Wie wird Mehl hergestellt? Eigentlich easy: Eine typische Getreidemühle besteht aus zwei Mahlsteinen, einem Bodenstein und einem Läuferstein. Der Bodenstein, also der untere Stein, liegt ruhig, während sich der obere Mahlstein, der Läuferstein, durch Wasserkraft stetig dreht.
Von oben wird das Getreide durch ein Loch im Läuferstein eingefüllt. Die beiden Mahlsteine reiben während des Mahlvorgangs eng aneinander. Dadurch werden die Getreidekörner zerkleinert und aufgespalten. So entsteht zunächst das grobkörnige Schrot.
Um als Endprodukt das viel feinere (Discounter-)Mehl zu erhalten, muss das Schrot in einem weiteren Schritt gesiebt werden. Dies geschieht im sogenannten Sichter. Dort werden Kleie und Schalenteile vom Schrot getrennt. Zurück bleibt das feine weiße Mehl, wie du es von Rewe, Edeka und Co. kennst.
Backen für Kinder
Stell dir vor, du schlüpfst in die Rolle eines Müllers und reist so für einen Moment in die Vergangenheit der historischen Getreidemühle. Die Mühle in Hemmighausen bietet kleinen und großen Kindern die Möglichkeit dazu – mit selbstgemachten Teig aus dem Mehl der Speiermühle.
Eltern rollen gemeinsam mit ihren Kids in der zugehörigen Mühlenstube Teig aus, dekorieren, formen ihre individuellen Backwerke und backen eigenes Brot. Das selbstgebackene Brot nimmst du natürlich mit nach Hause: schöne Erinnerung an einen „Mühlentag“. Zwischenzeitlich, während die Backwaren im Ofen „hochgehen“, empfehle ich dir einen gemütlichen Spaziergang durch Hemmighausen.
Bauerndörfchen Hemmighausen
Das kleine idyllische Dörfchen befindet sich mitten im Naturpark Diemelsee. Der Ort mit seinen nur rund 100 Einwohnern lebt bis heute rein landwirtschaftlich. Dank seiner gepflasterten Dorfstraße, den vielen Fachwerkhäusern und der Natur eignet sich Hemmighausen perfekt für einen (Instagram-)Tagesausflug.
Bei deinem Spaziergang durch den Ort spürst du deutlich die familiäre Atmosphäre. Auch deshalb ist das Bauerndorf besonders bei Gästen beliebt, die Ruhe und Erholung vom Stress des Alltags suchen und im Urlaub gerne abschalten. Die Mühle selbst findest du am Ortsrand, Adresse siehe hier. Augen auf bei der Anreise: Aufgrund der fehlenden „Mühlenkopfs“ mit den typischen Windflügeln fährst du vielleicht dran vorbei. 🙂
Fakten, Fakten, Fakten
1337 wird die Mühle in Hemmighausen erstmalig urkundlich erwähnt. 1868 zündet der damalige Besitzer aus Geldmangel das Gebäude eigenhändig ab, sagt man so. Dabei brennt die Mühle fast vollständig nieder. In den Besitz der Familie Becker gelangt die Speiermühle 1888 durch Lothars Opa. Bis Ende der 70er-Jahre dient sie immer noch als Mahl- und Schrotmühle.
Über viele Jahrhunderte hinweg wird in der Mühle Getreide zu Mehl verarbeitet, um damit die Beckers Bäcker und Bevölkerung zu versorgen. Das einst wichtige Wasserrad „zieht“ sich sein Wasser aus der Diemel, einem kleinen Nebenfluss der Weser. Leider gibt es das klassische Mühlrad seit 1938 nicht mehr.
Bewertung Speiermühle Hemmighausen
Ein Besuch der historischen Mühle füllt zwar nicht unbedingt einen kompletten Ausflugstag, eignet sich aber optimal als Ausflugsziel, Auftakt oder Abschluss für eine kleine Wanderung. Neben dem Besuch der Mühle solltest du dir unbedingt Zeit nehmen, um eine Runde durch das Bauerndorf zu schlendern. Mehl kaufen kannst du wieder zuhause. 🙂
Mein Tipp: Das – von Hemmighausen rund 15 km entfernte – Partymekka Willingen-Downtown im Sauerland liegt ebenfalls in Nordhessen. Warum sich auf dem Hausberg Ettelsberg ein See befindet, den keiner aktiv nutzen kann, erfährst du im Blogartikel.
Dein liebster Deutschland Reiseblog mit schönen Reisetipps ist bei diesem Reiseziel unterstützt von der GrimmHeimat Nordhessen, die mir diesen Termin organisieren. Ist dennoch meine persönliche Meinung.