Nie wieder Nazis! So sieht ein Deutschland aus, das sich vermutlich viele wünschen. Der reale Wahn- und Unsinn hinter der Ideologie stirbt aber wohl nie aus. Wird mir im KZ Ulm auf dem Oberen Kuhberg mehr als deutlich.
Offiziell dient das Konzentrationslager zur „Umerziehung“ und „Schutzhaft“. Nette Marketing-Begriffe, die die Wahrheit ziemlich verwässern. Ein Blick in die heutige Zeit: So wiederholen sich bestimmte Phrasen und Sprüche, die es zu hinterfragen lohnt. Botschaft Ende! Statt Parolen und Plattitüden nimmst du im KZ Ulm echte Schicksale und wahre Hintergrunde mit.
Kasematten
Kasematten sind in der Regel Gewölbe in einer Burg oder Festung, die als Platz für sowie Raum gegen Beschuss genutzt werden. Im KZ Ulm dienen die dunklen, kalten und nicht abgetrennten Räume als Häftlingsunterkünfte. Durchschnittlich 70 – in der Spitze bis zu 300 – Gefangene teilen sich „gemütliche“ Holzpritschen und drei (!) Pseudo-Toiletten.
Vorab: Im Ulmer Konzentrationslager stirbt keiner, im Gegensatz zu anderen „Arbeits- und Erziehungslagern“ kommen alle Insassen lebendig raus. Geschätzte 600 Häftlinge sind im Laufe der rund zwei Jahre, in denen das KZ Lager „in Betrieb“ ist, eingesperrt und halten sich mit selbstgeschnitzten Schachfiguren bei Laune. Seit 1985 ist das Fort auf dem Oberen Kuhberg eine besuchbare Gedenkstätte.
Der berühmteste Gefangene
Auch das KZ Ulm „rühmt“ sich mit einem besonderen Insassen: SPD-Politiker Kurt Schumacher ist Dauer„gast“ im KZ Oberer Kuhberg. Fast die komplette Zeit des KZs – von Ende 1933 bis Mitte 1935 – sitzt er im heutigen Dokumentationszentrum in Einzelhaft.
Seine politischen und rhetorischen Fähigkeiten sorgen dafür, dass er von den restlichen Gefangenen sauber isoliert ist. Das macht krank. Bei seiner „Entlassung“ leidet Schumacher an diversen schweren Krankheiten. Im Anschluss an das KZ Ulm landet der damals erst 39-Jährige im bekannteren KZ Dachau. Insgesamt verbringt Schumacher neun Jahre, neun Monate und neun Tage in Konzentrationslagern.
Führungen
An solch einem inhaltlich aufgeladenen Ort empfehle ich dir, eine Führung mitzumachen. Die rund 90-minütige Tour findet jeden Sonntag ab 14.30 Uhr statt und ist kostenlos. Im Anschluss hast du genug Zeit, die Ausstellung, das Museum an sich sowie das Gelände ohne Guide anzuschauen.
Das Gefühl an einem Ort wie diesem ist bedrückend. Alleine die Vorstellung, dass Menschen hier unter unwürdigen Bedingungen (über)leben müssen, ist eine Zumutung. Leider lernt die Menschheit nicht aus Orten wie dem KZ Oberer Kuhberg, so dass machtgeile Herrschaft und überlegene Unterdrückung niemals enden. Gleich am Eingang steht’s: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.
Die Preise und Öffnungszeiten der Gedenkstätte sind schnell auf den Punkt gebracht: Das KZ Oberer Kuhberg ist nur sonntags, dafür das ganze Jahr über, von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Als Erwachsener zahlst du symbolische zwei Euro Eintritt. Die Führung mit einem ehrenamtlichen Guide ist inklusive. Adresse: Am Hochsträß 1, 89081 Ulm.
Bewertung KZ Ulm
Die KZ-Gedenkstätte sieht auf den ersten Blick nach Golfplatz aus, weil das hügelige Areal, die Gebäude und der tipptopp Ausblick auf Ulm eine entspannte Atmosphäre bilden. Drinnen sieht’s anders aus und geht’s zur Sache bzw. an die Substanz. Wer das Leid eines Gefangenen niemals selbst persönlich erlebt, kann das Gefühl nicht annähernd nachvollziehen. Ich versuche es, indem ich mich auf die Schicksale von Schumacher und Co. einlasse. Es wirkt. Auch wenn es im ersten Moment kurios klingt, ist das KZ Ulm für mich ein schönes Ausflugsziel in Ulm. Ich lerne was und nehme ich was mit – auch wenn es wieder mal „nur“ der kranke Wahnsinn der Nazi-Ideologie ist.
Mein Tipp: Ein anderes wichtiges Projekt in Ulm ist der inklusive „Ulmer Spatz“. Bei der Schifffahrt über die Donau stehen Menschen mit Einschränkungen am Ruder. Falls du eine Ulm-Städtereise über ein komplettes WE planst, dann hast du vom Maritim Hotel Ulm alias „Riesen-Glasturm“ eine feine Aussicht auf das Ulmer Münster.